Während der Sommersaison verkehrt das PostAuto vom Bahnhof Disentis durch die romantische Medelserschlucht und durch das Val Medel bis auf den 1915 Meter hohen Lukmanierpass. Von dort besteht die Möglichkeit mit der Autolinee Bleniesi auf der anderen Passseite hinunter nach Olivone zu reisen. Weiter führt die Fahrt das sonnige Blenio Tal nach Acquarossa. Schliesslich begibt man sich auf Spurensuche der ehemaligen Biasca-Acquarossa Bahn und gelangt so nach Biasca.
62.140, Disentis/Mustér - Lukmanier Passhöhe - Biasca
90.481, Disentis/Mustér - Fuorns - Lukmanier Passhöhe
Ausgangspunkt dieser Fahrt über den Lukmanierpass bildet der Bahnhof Disentis/Mustér. Hier, wo die Züge der RhB von Chur (920) her enden und die Zahnradkompositionen der Matterhorn Gotthardbahn weiter über den Oberalppass nach Andermatt (920) verkehren, beginnt auch die PostAuto Linie 481, welche ins Val Medel führt. In der Sommersaison, das heisst von Mitte Juni bis ende Oktober, werden einige Kurse zum Lukmanierpass
Dabei richtet sich das Angebot der eingeschobenen Kurse vor allem an die Schüler, welche aus dem Medel Tal nach Disentis in die Schule müssen. Sobald der Anschluss von der Matterhorn Gotthard Bahn sowie der Rhätischen Bahn abgenommen wurde, kann die Passfahrt beginnen. Das Fahrzeug der Post zwingt sich durch den engen Dorfkern des Klosterdorfes. Ein erstes Kloster wurde bereits im 7. Jahrhundert errichtet. Das Kloster Disentis in der heutigen Form mit der Klosterkirche St. Martin und der Marienkirche stammt aus dem Ende des 17. Jahrhunderts.
Nachdem der Hauptort der Cadi hinter einem gelassen wurde, fährt das PostAuto durch die enge Medelserschlucht, "las Ruinas" genannt. Die Strasse schlängelt sich mit mehreren Tunnels durch den schattigen Talgrund der Schlucht, welche vom wilden "Rein da Medel" durchflossen wird. Diese ist heute praktisch durchgehend auf zwei Spuren ausgebaut und die heiklen Passagen sind mit Gallerien und Tunnels geschützt. Die Talstufe vom Schluchtausgang bis zur Ortschaft Curaglia hinauf wird anschliessend mit mehreren grosszügig angelegten Kehren überwunden.
In Curaglia wohnen heute die meisten der rund 370 Personen, welche das ganze Jahr über im Seitental leben. In der Sommersaison steigt diese Zahl durch die Bergbauern und Feriengäste natürlich markant an. Hier befindet sich auch der einzige grössere Laden, welcher die Versorgung des Tals sicherstellt. Im gleichen Gebäude ist zugleich das Gemeindehaus angesiedelt. Ohne viel Zeit zu verlieren lässt der Linienbus die grösste und zugleich einzige richtige Ortschaft im Medel hinter sich.
Die Reise führt nun weiter talwärts. Vorbei an den deutlich kleineren Weilern Platta und Pardè, die lediglich aus ein paar Wohnhäusern und einer Kapelle bestehen, geht es immer weiter hinauf in Richtung Lukmanierpass. Immer wieder schützen Steinwälle und andere Verbauungen die verstreuten Weiler sowie die Passstrasse von den Naturgefahren. Die Umgebung, welche derweil am Fenster vorbeizieht, ist geprägt von weiten Weidelandschaften auf deren im Sommer unzählige Kühe, Geissen und Schafe weiden.
Der nächste Halt befindet sich in Fuorns. Der kleine Weiler, welcher auf rund 1`450 Metern über Meer liegt, ist die letzte Ortschaft des langen Seitentals, welche auch im Winter mit dem PostAuto ab Disentis angefahren wird. Auch wenn die Passstrasse über den Lukmanierpass seit 2001 grundsätzlich das ganze Jahr über geöffnet ist, machen immer wieder Lawinenniedergänge ein Durchkommen unmöglich. Die Reise führt während den Sommermonaten weiter durch die Weiler Pardatsch und Sogn Gions. Die Steigung wird dabei,
recht unspektakulär, mit nur einzelnen Doppelkehren bewältigt. Kurz vor der Passhöhe wird der Blick auf die 117 Meter hohe Bogenstaumauer Santa Maria frei. Seit 1968 staut die Mauer über 67 Mio. Kubikmeter Wasser des Medelser Rheins zurück. Bevor die Ebene durch den Lai da Sontga Maria geflutet wurde, lag die Passhöhe rund 50 Meter tiefer auf 1`917 Meter über Meer. Mit der Strassenverlegung wurde auch eine grosse Lawinengalerie errichtet, um die ganzjährige Befahrbarkeit der Strasse zu gewährleisten.
So wird leider der Blick auf den wunderschönen, tiefblauen See, der zugleich die Wasserscheide zwischen der Nordsee und dem Mittelmeer bildet, ein wenig getrübt. Nach rund 30 Minuten erreicht das PostAuto sein Ziel, die Passhöhe des Lukmanierpasses. Der Alpenübergang bildet nicht nur die Kantonsgrenze von Graubünden und dem Tessin, sondern trennt auch das Gotthardmassiv von den Adula-Alpen. Bis zur Einführung des neuen Fahrplankonzept 2025 mussten Reisende in Richtung Süden hier auf die grün-weissen Linienbusse der Tessiner Firma Autolinee Bleniese umsteigen.
Heute geht es ohne viel Zeit zu verlieren im selben Fahrzeug weiter talwärts. So führt die Reise nun das Bleniotal hinunter in Richtung Olivone. Während auf der Nordseite weite Weidelandschaften den Ausblick aus dem Fenster zierten, zeigt sich im Süden eine komplett andere Landschaft. Dichte Föhrenwälder, wie sie auch in Kanada anzutreffen sind, prägen das Bild am Strassenrand. So führt die Reise an der Alpe Cassacia vorbei nach Acquacalda. Seit über 50 Jahren bietet hier das Hospiz Reisenden über den Lukmanierpass Verpflegung und Unterschlupf. Nachdem der Bau zuerst abbrannte, danach von einer Lawine niedergerissen wurde, musste es erneut aufgebaut werden.
Heute wird das Hotel mit Restaurant, Seminarsaal und Campingplatz von Pro Natura betrieben. Das Centro Pro Natura Lucmanico bildet den Ausgangspunkt für viele verschiedene Wanderungen, die durch eine der schönsten Landschaften der Schweiz führen. Der Linienbus braust nun auf der gut ausgebauten Passtrasse weiter talwärts. Der Namen Lukmanier leitet sich übrigens vom lateinischen lucus magnus ab, was so viel wie grosser Wald bedeutet. Diese Bezeichnung ist auf der Süd Rampe sehr treffend. Vorbei an der Alp Pian Segno, wo im Sommer viele Kühe beheimatet sind,
geht die Reise weiter talwärts. Der Alpenübergang galt im Mittelalter als wichtigste Nord-Süd Verbindung. Mitte des 19.Jahrhunderts bevorzugte man für den Bau der Alpenbahn die Linienführung durch den Gotthard, obwohl die Lukmanierbahn ohne teuren Scheiteltunnel ausgekommen wäre. Obwohl die Kantone Graubünden und Tessin in den Jahren 1872 - 1877 eine moderne Fahrstrasse errichteten, sank die Bedeutung des Passes. Nachdem die Strasse über 80 Jahre weder renoviert noch verändert wurde, begann man ab 1950 mit der Verbreiterung.
Dabei wurde sie auf dem Abschnitt Pian Segno - Campra auf die andere Talseite verlegt. Trotz des durchgehenden Ausbaus auf zwei Spuren verlor der Lukmanier mit der Eröffnung der A2 und des Gotthardstrassentunnels seine Rolle als überregionale Nord-Südverbindung endgültig verloren. Nichts desto trotz ist schon rein landschaftlich die Passfahrt absolut lohnenswert. So erreicht kurze Zeit später das Tessiner Fahrzeug die flache und magisch wirkende Ebene von Campra. Hier befindet sich im Winter das grösste Langlaufzentrum des Tessins. Weiter lädt die neugebaute Campra Alpine Lodge & Spa zum Verweilen ein.
Nachdem der Weiler Camperio durchfahren wurde, wird wenig später der Blick hinunter ins Blenio Tal mit dem Etappenziel Olivone frei. Die Strasse windet sich mit grosszügigen Kurven an der linken Talseite hinunter. Nach genau 30 Minuten sind die gut 1`000 Höhenmeter bis zum Hauptort des Valle di Blenio geschafft. Bei der Haltestelle Petullo, welche sich am Ortseingang befindet, zweigt die Strasse ins Val di Campo ab. Das Seitental wird ebenfalls von der autolinee bleniesi angefahren und bildet den Ausgangspunkt zur Wanderung durch die herrliche Greinaebene Richtung Vrin. Schliesslich endet die Passfahrt im Ortskern von Olivone.
62.131, Olivone-Acquarossa-Biasca
Die Ortschaft am Fusse des markanten Sosto Berges, welcher auch als Matterhorn des Bleniotals bezeichnet wird, hat gut 800 Einwohner. Für die Erschliessung von Olivone ist die Buslinie 131 zuständig, welche ebenfalls von der autolinee bleniesi betrieben wird. Den ganzen Tag über verkehren die Busse nach Biasca im Stundentakt. So führt die Reise vom Ortsteil Petullo hinunter ins eigentliche Dorf, wo neben der Post auch ein Lebensmittelladen sowie mehrere Hotels angesiedelt sind.
Kurze Zeit später wird die Zivilisation fürs erste verlassen und der Linienbus tuckert auf der Hauptstrasse in Richtung Acquarossa. Dabei wird man stetig vom Brenno Fluss begleitet, welcher einem von der Passhöhe bis nach Biasca begleitet. Vorbei an der Ortschaft Aquila gelangt der ALB Bus nach Dangio. Hier wird die Hauptstrasse verlassen und das Fahrzeug wählt den beschwerlichen Weg durch den engen Dorfkern. Im grossen und stattlichen Fabrikgebäude, das mitten im Dorf steht, war von 1903 bis 1968 die Schokoladen Fabrik "Cioccolato Cima Norma S.A" angesiedelt.
Mit der Standortwahl wollte man Anfang des 20. Jahrhunderts die wirtschaftliche Entwicklung im abgelegenen Bergtal fördern. Zurück in die Gegenwart. Der Bus fährt nun in rasantem Tempo am sonnigen Berghang nach Acquarossa hinunter. Durch die ausgesprochene Nord-Süd Ausrichtung und die Breite ist das Blenio Tal sehr gut durchsonnt und wird daher auch als Valle del Sole - Sonnental bezeichnet. Nach rund 20 Minuten trifft der Autolinee Bleniesi Linienbus in der Ortschaft Acquarossa ein. 1911 wurde die Ortschaft im Bleniotal mit einer Schmalspurbahn ab Biasca erschlossen.
Wegen grossen finanziellen Schwierigkeiten entschloss man sich, den zweiten Abschnitt bis nach Olivone erst zu einem späteren Zeitpunkt fertigzustellen. Die Wirtschaftskrise sowie der erste Weltkrieg machten jedoch dann diese Pläne zu nichte. Später tauchten Ideen für eine Weiterführung der Bahn über den Lukmanierpass mit einem Anschluss ans RhB-Netz auf, jedoch blieben dies Träume. Als in den 60er Jahren grössere Investitionen bevorstanden, beschloss man 1973 schliesslich den Bahnbetrieb einzustellen und durch einen durchgehenden Busbetrieb zwischen Biasca und Olivone zu ersetzen.
So entstand aus der Biasca-Acquarossa (BA) Bahn die heutige autolinee bleniesi. Mit dieser geht es nun immer weiter talwärts Richtung Leventina. Die Fahrt führt vorbei an Dongio und anschliessend sucht sich die Strasse ihren Weg durch die Brennoschlucht. Immer wieder kann man am Strassenrand ein Überbleibsel der längst zurückgebauten BA-Bahn entdecken. So erreicht der Bus die langgezogene Ortschaft Malvaglia, welche mit ganzen fünf Haltestellen erschlossen wird. Kurze Zeit später verengt sich das Tal für kurze Zeit noch einmal.
Anschliessend sind bereits die ersten Häusersiedlungen von Biasca zu erkennen. So kämpft sich der Bus durch den dichten Verkehr in Richtung Bahnhof. Kurz vor dem Endpunkt der Reise kann man auf der linken Seite gut das noch 1963 neu errichtete Bahn-Depot der BA-Bahn erkennen, welches heute als Bus-Garage der Autolinee Bleniesi dient. Schliesslich endet die Reise genau dort, wo einst auch die Passagiere der Biasca-Acquarossa Bahn ausgestiegen sind, auf dem Bahnhofsplatz Biasca. Hier nimmt diese wunderschöne Fahrt über den Lukmanierpass ihr Ende.
Last Update: 12.11.2024
Zuletzt gereist: 17.09.2024